Was so lustig aus Kindermund klingt, ist manchmal als Mum voll unlustig. Für die Kids übrigens auch. Man würde mir zwar unterschreiben, dass ich Nerven wie Drahtseile habe, aber es gibt die Tage, an denen ich echt doof zu ihnen werde.
Das sind die Tage, an denen ich denke, dass meine Schädeldecke nun schlussendlich doch mal vom Rest des Körpers abhebt. Wo jeder Laut nur Reizüberflutung bedeutet. Und die mütterliche Aufmerksamkeitsverfügbarkeit deutlich überschritten ist. Ein technisches Gerät würde auf den schwachen Batterienotstand hinweisen und sofort erhört werden. Also ran an den Stecker. Manchmal wünsche ich mir tatsächlich ein Smartphone zu sein. Nun bin ich aber eine Working Mum. Hier sind die Voraussetzungen: funktioniert immer!
Das finde ich so was von ganz schön Banane. Vor allem weil es dann meine Kids abbekommen. Erst kürzlich hat mein Mann mir auf Audible ein Hörbuch weitergeleitet: Mama, nicht schreien! Liebevoll bleiben bei Stress, Wut und starken Gefühlen.
Hatte ich einmal in einem meiner Beiträge erwähnt wie ich zu Ratgebern stehe? Stimmt, ja, genau, habe ich. Da kommen bei mir gleich ganz „starke Gefühle“ zum Vorschein! Aber mein Mann hat es liebevoll gemeint. Und das weiß ich. So wie ich eben auch weiß, dass es natürlich ist, dass meine Kinder ihre Grenzen austesten, wenn sie merken, Muddi ist heut n bisschen neben sich und wirkt so ein klein wenig gaga. Ich würde das ja nicht anders machen. Schwachpunkte wahrnehmen, austesten, etwas durchringen. Der nice try ist alles was zählt.
Aber zurück zum Ratgeber, ich habe da eine irre Theorie. Meine Theorie besagt, mit mehr Entlastung bräuchten wir Mamis diesen Ratgeber gar nicht! Klar, gibt es auch Menschen, die ein schwächeres Nervenkostüm haben als ich und durchaus dankbar für Tipps sind. Aber ich zäume ein Pferd gerne von vorne auf. Und gerade jetzt, wo ich wieder in der Arbeitswelt angekommen bin und dieser neuen Schnelligkeit manches Mal zu erliegen drohe, denke ich: Nö! Das kann es jetzt nicht sein. Nö! Das kann jetzt nicht sein, dass mich der Arbeitstag fertiger macht, als meine Kids. Nö! Ich kann jetzt nicht so durch sein, dass ich für die beiden Zuckerschnuten kein Gehör mehr finde. Und überhaupt Nö, Nö, Nö!
Ich setze mir blöderweise immer Deadlines. Na ja, so doof ist es nicht. Aber ich sage mir immer, diesen und diesen Termin muss ich noch schaffen und ab Tag X läuft alles entspannter. Blöd ist, dass ich die anderen immer nicht einkalkuliere. Die anderen der Arbeitswelt, die dann doch noch ganz dringend etwas von mir wollen. Am besten bis gestern. Wo kommt das denn her? Wie doof ist das denn? Es gab mal ein interessantes Filmchen auf einem Social Media Kanal, in dem gezeigt wurde, was zustande kommt, wenn man einem Comiczeichner, stellvertretend für alle Kreativen, die Zeit nimmt. Zum Schluss und bei wenig Zeit bleibt eine formlose, hohle Figur. Meine Kinder brauchen auch alles bis „sofort“. Nur haben sie die Entschuldigung, dass sie das mit der Zeit noch nicht so ganz drauf haben. Welche Entschuldigung haben also diese Arbeitsstresser? Woher kommt die Erwartung, dass ich als Working Mum noch die nächste Nachtschicht rocken kann? Weil ich jetzt ein Jahr ein Kind gestillt und mich eh an den Schlafmangel gewöhnt habe? Nein, das ist wirkliches Interesse. Woher kommt es, dass man heute denkt, alles muss bis gestern gehen. Weil wir keine Brieftauben mehr nutzen? Und wenn Infos schnell rausgehen, muss es genauso mit dem angefragten Resultat auch so sein?

Klar, gibt es auch zwei Seiten. Und ich muss einfach mal „Stopp“ sagen. Aber selbst wenn ich das tue, vergehen vielleicht höchstens zwei Wochen und ich werde nach Kitaabholung wieder mit Mails zu gespamt. Jetzt kommt mein Mann und sagt: „Lass sie konsequent liegen.“ Mit welcher Folge? Dass ich alles Liegengebliebene in meine zwanzig Stundenwoche reinpresse. Superidee. Aber meine bessere Hälfte weiß, dass ich keine Tipps von Leuten annehme, die eine volle Arbeitswoche genießen, ausreizen und wahrnehmen können. Auch wenn sie denselben Nachnamen wie ich tragen. Daher ist das Ratschlagthema bei uns so schnell beendet, wie das Ratgeberthema. Ich bin unverbesserlich. Ich weiß. Und das ist auch nicht immer gut. Aber ich tue mir echt schwer Ratschläge von Vätern anzunehmen.
Liebe Papas, das ist nicht so, weil ich denke, dass ihr einen schlechten Job macht. Aber wenn ich mal meine Ruhe haben möchte, dann schickt mich mein Mann weg, weil er selbst schon erkannt hat, wenn ich versuche in unserer gemeinsamen Bude rumzulümmeln, die Kinder irgendeinem Automatismus folgend, dauernd zu mir traben, wenn sie etwas brauchen, haben wollen oder einfach nur so. Kürzlich war ich tatsächlich etwas persönlich angegriffen, weil ein Daddy mir klar machen wollte, dass das was ich da gerade mache ganz easy ist. Hätte er immerhin auch schon mal drei einhalb Wochen mit seinem Kind gestemmt. A-ha, da ist es gestemmt. Bei mir ist es easy. Kann jemand nachvollziehen, warum ich innerlich in die Luft ging?
Aber genug der Aufregung. Die habe ich schon zur genüge im Arbeitsalltag, weil dort ständig jemand etwas ganz wichtiges, ganz schnell möchte. Eben wie daheim. Meine Zwerge wollen auch immer und ständig etwas von mir. Nur dass sie auch ein Recht darauf haben. Und trotzdem stehe ich nach einem Arbeitstag als Mombie in der Küche. Mache einfallsloses Abendessen. Setze meinen Großen vor die Glotze, was ich nie tun wollte. Und hoffe, dass meine Kleine mal kurz für sich spielt. Weil ich merke: Wow, ich brauche mal zwei Minuten für mich!

Und ich weiß, ich schwindle mich selbst an. Ich brauche keine zwei Minuten. Ich brauche einen ganzen Tag. Letztens habe ich mich tatsächlich abgesetzt und einen ganzen Tag unseren Garten umgebuddelt. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so einen Muskelkater und so eine Freiheit gespürt habe.

Das sind die Momente, in denen mir mal wieder auffällt, das sollte man sich als Mami viel öfter gönnen. Oder eben auch nehmen. Wenn bei den umstehenden Personen nicht klar ist, wäre man deren Handy, man würde rot warnleuchten. Und es ist doch so, man ist nicht nur Mami, man ist auch Mensch. Und jeder andere nimmt sich seine Zeit. Und es gibt keinen Akku, als den einer Mutter, der kostbarer wäre. Denn auch wenn es manche nicht glauben, da hängt ganz schön viel dran. Auch wenn es nur darum geht den Joghurtbecher im kleinkindlichen „richtigen“ Moment „richtig“ zu öffnen.
Mir bleibt ja als kleine Freiheit immer noch mein bellicon JUMPING Kurs. Da komme ich raus, bewege mich und bin für eine Stunde nicht im Multimedia- und/oder Kinderbeschuss. Alle Mamis sind herzlich dazu eingeladen. Auch wenn ich weiß, dass, wenn es darum geht eine Freizeitaktivität zu ermöglichen, schon wieder ganz viel rumgeplant werden muss. In der Freizeit schaffe ich es tatsächlich auch recht selten. Ist eben immer was. Ich werde es mir aber fest vornehmen mal öfter mit den Schultern zu zucken und zu sagen: „Jetzt nicht! Jetzt bin ich dran!“ Bis ich das perfektioniert habe, schiebe ich mein Hüpf-Job als Alibi-Ausgangsmuss vor. Hauptsache gehüpft. Denn wusstet ihr schon, Trampolintraining wirkt unendlich ausgleichend.
In diesem Sinne freue ich mich auf euch. Ob als Leser oder Teilnehmer.
> Meine Theorie besagt, mit mehr Entlastung bräuchten wir Mamis diesen Ratgeber gar nicht!
Das ist auch ganz genau meine Theorie.
Interessant aber, dass der Ratgeber heisst „Mama, nicht schreien.“ Ich hab mal gegoogelt und bin auf folgende andere Titel gekommen:
– „Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter“,
– „(Über)leben als Mutter: Wie du trotz Babywahnsinns ein glückliches Familienleben haben kannst, wenn du einfach mal lockerlässt“,
– „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg – Für Mütter: Wie sich dein Leben mit Kind verbessert, wenn du dich locker machst“.
Für den Herrn Vater gibt es vor allem Sachen, wie „Wir sind Papa“, „Papa Fit“ und „Made by Papa: Das Bastelbuch“.
Das spricht Bände, oder?