Ich liebte sie. Ich war geradezu süchtig. Smoothies. Mein Mann und ich sind vor ungefähr drei bis vier Jahren voll auf den Smoothie-Hype-Zug aufgesprungen. Mit allem drum und dran. Es fing an, wo es oft bei uns Ladies anfängt. Bei meiner damaligen Friseurin. Ein graziles Persönchen mit ganz viel Stil und Grandezza. Jedenfalls nach meinem Empfinden. Und eben immer auf dem neuesten Stand der momentan angesagtesten Dinge. So sog ich also als Mami, die zu der Zeit ihren Input aus Office, Kursraum und Kinderzimmer bezog, in meinen alljährlichen Friseurbesuchen alles auf, was ich so aufschnappen konnte. In diesem Fall war es der Titel des Buches „Sieben Tage grün“. Und wunderbar anmutende Geschichten dazu, die von klarem Teint, neuer innerer Energie und einem körperlichem Idealempfinden erzählten.
Voller Enthusiasmus fürs Neue schlenderte ich nach hause und blubberte meinen Mann damit voll. Ich holte mir daraufhin schnell und überlegt das Buch zur Sache. Mein Mann noch schneller und vielleicht etwas unüberlegter einen dieser Monstermixer. Wenn er was macht, dann muss es „echt“ sein. Und „richtig“. Ich muss dazu sagen, so ein paar Jahre später, mit mehr Erfahrung und weniger Enthusiasmus, unser Pürierstab wäre vielleicht gar kein so schlechter Anfang gewesen. Vor allem kann man dieses Hilfsmittel in einer Schublade verschwinden lassen. Aber gut, wer hat nicht solche Küchengerätleichen in oder außerhalb seiner Schränke stehen und liegen. Ihr merkt schon worauf das ganze wohl hinauslaufen könnte?
Aber wir waren jetzt ja noch beim Hype und bei unserem Wahnsinn. Mein Mann überflog mein Buch und zog eine Woche durch. Aß neben seinen Smoothies kiloweise Nüsse und machte die Sache nur halbrichtig. Weil halt „Buch nur überflogen“. Daher hatte er überlesen, dass man schon noch was essen und eventuell auch noch viel Wasser trinken sollte. Aber sei’s drum. Denn ich war „noch besser“. Ich hatte ja schon mal darüber geschrieben, wie ich mich gegenüber Ratgebern verhalte. Dankbar darüber, dass mein Mann Lust zum Überfliegen verspürte, vertraute ich ihm voll und ganz. Hallo, ich hab den Kerl geheiratet, da vertraut man auch „beim Ratgeber überfliegen“! Resultat: Ich gab nach drei Tagen Smoothie-Leben auf.
Bäh, wie ekelig! Hier kommen wir zum „halbrichtig“, was ich vorher erwähnte. Mein Mann ballerte nämlich inflationär Spinat, Ruccola, Sellerie, Wirsing und anderes gemüsiges Zeugs rein. Eventuell mal mit einem halben Apfel und einer Banane aufgepeppt. Und! Lag damit voll richtig! Nach meinem ersten Schluck lag ich am Küchenboden und er musste fast einen Exorzisten für mich bestellen. Für alle, die den Film gesehen haben, möchte ich nur beruhigend erwähnen, dass die grüne Plärre nicht in seinem Gesicht, sondern in unserem Abfluss landete.

Ich gehöre nicht zu den Personen, die sich je Gedanken darüber gemacht haben, dass manchem Gemüse, die Bitterstoffe raus gezüchtet wurden. Aber doch zu den Personen, die durch jahrelangen Zuckerkonsum seit frühester Kindheit, diese Bitterstoffe kein Stück mehr vertragen. Ok, ich bekomme davon keine roten Flecken oder so. Aber ich bekomme sie nicht herunter. Das ist wirklich ein Problem. Und genau hier kommen wir an den Punkt, an den ich in diesem Beitrag kommen möchte. Unsere Geschmacksnerven sind trainiert und angeglichen. Klar, haben wir alle ein Belohnungssystem. Nur hat man sich eben früher halt nicht tagtäglich belohnt. Sondern recht selten sogar. Heute „belohnen“ wir uns ständig. Entweder mit Salz oder eben Zucker.

Ich bin definitiv der „Zuckerkandidat“ und übernahm nach dem ersten Tag unseres Smoothie-Wahns das Steuer, weil ich das, was mein Mann in unserem Hightech-Mixer braute nicht „trinken“ konnte. Ab da landeten Bananen, Äpfel, Kiwi, Mango, Ananas, Trauben, Birnen, Pflaumen und Co. veredelt mit ein paar Blättern ausgewähltem Gemüse-grün im Behältnis. Und wurden für mich als trinkbar registriert. Meinem Mann war es zu süß. Und er hatte recht.

Nachdem bei uns die Faulheit einkehrte, machte ich auf vorbildlich gesund und kaufte eben die grünen Dinger in der Flasche. Kurz ich ballerte mir schon jeden Morgen mit reinem Gewissen Fruktose ohne Ende hinter die Kiemen. Und fühlte mich voll „lifestyle“. Aber das ist es eben, wenn man zu bequem wird. Erst wurde ich zu bequem, um mich an den Mixer zu stellen. Und irgendwann wurde ich eben zu bequem, um logisch zu denken. Und fiel auf dieses „healthy“ Gehabe voll rein. Aber eins sollte mir wirklich klar sein, wie gesagt, im Prinzip weiß ich es ja theoretisch, „gesund“ ist meistens nicht bequem. Sondern kostet ein wenig Mühe. Man denke an die Mühe, bei kaltem Regenwetter seine Sportklamotten anzuziehen und zum Training zu gehen.
Aber zurück zu den Smoothies. Sie geben einem das Gefühl etwas tolles und gesundes für sich zu tun. Und sind damit tatsächlich nichts anderes als der smooth criminal, also der aalglatte Verbrecher, in Michael Jackson’s Song. Warum? Sie sind zu süß! Sie sind voller Fruktose! Das ist ein Einfachzucker, der uns zwar schnell versorgt, aber unser Blut auch wieder schnell verlässt und sich gerne dann in Fett umwandelt. Bäh! Tatsächlich sollten die grünen Dinger zu 70-80% aus Gemüse bestehen, damit sie gesund sind. Und jetzt kommt noch ein zweiter, fieser Aspekt, der nicht nur auf Smoothies sondern generell auf Fruchtsäfte zutrifft. Und hier rede ich ausschließlich von Direktsäften. Dass die anderen Exemplare wie Nektar voll auf der schwarzen Liste stehen, weil noch Zucker hinzugefügt wurde, ist ja logisch. Aber zum Punkt, als ich meinen Kauf-Smoothie-Trip auslebte, spülte ich mir das Zeug förmlich runter. Vorher bei meiner Erzählung hatte ich das „trinken“ noch fett in Gänsefüßchen gesetzt. Warum? Weil unser Körper viel besser Nahrung aufnehmen kann, wenn er sie kaut. Der ganze Prozess fängt schon mit dem fließen der Speichelflüssigkeit an. Haben wir gar nicht, wenn wir uns etwas in den Rachen schütten. Die Smoothies, die mein Mann und ich produzierten waren noch „kaubar“. Denn tatsächlich steht auch in „Sieben Tage grün“, dass Smoothies auch noch ein wenig gekaut werden sollten. Daher haben wir die Zutaten nicht zu 100% püriert. Bei den Exemplaren aus dem Supermarkt lief es schon leichter. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Außerdem gibt es beim trinken von „Nahrungsmitteln“ noch ein Problem. Das Sättigungsgefühl. Es setzt nicht ein. Wer mir nicht glaubt, der macht bitte folgenden Selbstversuch. Man kaufe 20 Orangen, oder eben derzeit auch gerne 20 mittelgroße Äpfel. Aus 10 der Früchte macht man Saft. Die anderen isst man. Bitte erst mit essen anfangen. Schaut selbst wie weit ihr kommt. Wahrscheinlich gibt es auch Menschen, die 10 mittelgroße Äpfel am Stück schaffen, aber ich halte dagegen und behaupte, dass man vorher ein Sättigungsgefühl verspürt. Wenn ihr dieses erreicht habt, dann habt ihr vielleicht Durst?! Und ich behaupte jetzt, dass da ein großes Glas Fruchtsaft, aus ebenfalls 10 Früchten, ohne großes Prozedere noch flutscht. Flüssigkeit geht irgendwie immer.

Ganz schön viel, schneller Zucker. Meint ihr nicht? Ich stelle tatsächlich meinen Smoothie-Wahn von damals in Frage. Einmal ein Smoothie als Ersatz für eine Mahlzeit ist sicher ok. Und wer überhaupt nicht darauf verzichten will und eh schon immer schön einen Bloody Mary aus seinen Smoothies hätte machen können, der kann getrost so weiter machen. Aber wer so ein süßes Leckermäulchen wie ich ist und leider denkt, dass er sich etwas gutes mit einem gekauften Obst-Smoothie tut, der sollte das vielleicht noch einmal überdenken.
Ich mach es jetzt so, wenn ich was Süßes brauche, ess ich Schokolade. Natürlich fairtrade. Und fühl mich deshalb schon besser. Und wenn ich Lust auf Obst habe, dann ess‘ ich einen Apfel oder so. So richtig mit Zähnen und Abbeißen und Kauen. Wer nun sagt: „Schokolade?! Igittigitt! Ich steh auf meinen Smoothie als meine Belohnungssüßigkeit!“ Dann sag ich: „Nur rein damit! Und viel Spaß dabei!“
Wichtig ist eben einfach nur, dass man weiß, was man isst. Und ich esse gerne bewusst Zucker! Und eben alles andere auch! Heutzutage setzen wir einfach viel zu sehr auf die „Gesundheits- und Bioversprechen“ in unserem Supermarkt und Fernsehwerbeprogramm unseres Vertrauens. Kontrolle ist da eben einfach doch mal besser. Und wer sich seine Smoothies wieder abtrainieren möchte, der kann zum Jumping kommen. Ich werde da meine Schokolade los.
In diesem Sinne freue ich mich auf euch. Ob als Teilnehmer oder Leser.