Wir müssen hier mal bei der Realität anfangen. Ich bin Mutter und habe manchmal Schwierigkeiten Zeit zu finden, um mir die Beine zu rasieren. An den Tagen fällt dann Rock tragen schon aus. Klar, ich könnte drüber stehen und sagen: die paar Härchen können mich mal. Allerdings habe ich mir durch langjähriges „shaven“ meiner legs eine wahre Haarpracht herangezüchtet, über die ich hier nicht weiter sprechen möchte. Das ist ja nun mal der Nachteil dieser ganzen Rasiererei und trägt dazu bei, dass ich gerne mal „lange Hose“ bei 37 Grad Außentemperatur trage. Meine Eitelkeit überspringe ich jetzt einfach mal als weiteres Argument.
Man liest schon. Ich bin das Victim. Und nicht die fashionista. Wer schon auf den Rock bei sommerlichen Temperaturen verzichten muss. Ein Opfer bin ich aber auch, weil meine Tochter denkt, dass sie eine Fashionista ist. Ok, sie kennt den Begriff noch gar nicht, aber ist derzeit im frühkindlichem Fashionwahn erster Klasse angekommen.
Ihre Erzieherinnen finden es toll, dass sie sich schon so alleine und selbstständig anzieht, während die anderen unter zwei Jährigen eher noch wild und von Schuhen und dem ganzen Tamtam unbeeindruckt durch die Kita-Umkleide tollen. Ich stehe dem ganzem Treiben etwas suspekt gegenüber. Denn meine kleine Mini-me hat einen enormen Dickschädel. Ich weiß, Grenzen setzen! Und sie wird extrem laut. Ich weiß, Grenzen setzen! Wenn sie keinen Outfitwechsel bekommt, rastet sie aus. Ja, ja Grenzen! Und kostet mich so kostbare Zeit ohne dass ich etwas bei ihr erreiche. Miau, Grenzen. Sie ist halt so. Also keine Grenzen. Sie weiß ja was sie will.

So kommt es vor, dass meine Tochter manchmal buntgescheckt zur Kita losgeht. Auch haben wir bei Temperaturwechsel so manche Diskussion. Sie trägt gerne Jacke bei sommerlichen Temperaturen und kurze Hose bei Regen. Bisher ging es hierbei um Sommerregen und ich stelle mich schon auf schlimmeres im Herbst ein. Allerdings sind bei akuten Temperaturstürzen dann doch meine Grenzen erreicht. Da lasse ich dann nicht mit mir streiten. Aber jetzt im Sommer bestaune ich resigniert ihren Modewahn und beuge mich. Letztendlich habe ich nichts gegen einen wilden Pippi Langstrumpf-Look, wenn er dann eben doch zum Wetter passt und das Kind nicht krank wird.
Erst neulich, an einem Wochenende, bei uns auch bekannt als Daddy Days, kam mein Mann zu mir in die Küche während ich mir meinen Mummy’s-free-weekend-Coffee-to-enjoy aufsetzte und meinte: „Soll ich ihr einen Body drunterziehen?“ Ich erstarrte und guckte ihn groß an. „Einen Body?“ kam noch einmal halblaut aus seinem Mund. „Du kannst es ja versuchen.“, war meine Antwort. Er schaute mich irritiert an und ging zurück ins Bad. Ich zählte in meinem Kopf lautlos die Sekunden runter. 21. 22. …. Ein Sturm brach los. Lautes, gellendes Geschrei näherte sich mir und meinem Enjoy-Kaffee, der schon lustig im Espressokocher blubberte. Ein bebender, kreischender, heulender, nicht ganzer Meter kam, nur mit Windel bekleidet und den ausgesuchten Klamotten in den Händen zu mir in die Küche. „Paaaapaaaa mmnnnn nziiiiiieehhhhhnnnnnn Bbbboooottiiiiieeeee!!!!!!!!!!!!“ („Papa will mir einen Body anziehen“ in Baby-entrüstet) Sie erzählte noch mehr, dessen Sinn ich nicht ganz wieder geben kann, aber es spiegelte sich ihre ganze Entrüstung darin wider. Das Gesicht meines Mannes mit unbeschreiblichem Ausdruck tauchte in der Tür auf. „Haste wohl probiert!“, kommentierte ich die Lage. Und weil ich es nicht sein lassen konnte, schob ich noch mit einem Grinsen nach: „Na? Warste erfolgreich?“ Zum Glück teilen mein Mann und ich denselben Humor. Beruhigten unseren Zwerg, dass sie keinen Body anziehen müsse, worauf sie zufrieden zurück ins Bad watschelte.
So geht das bei uns ab. Morgens wie auch abends geht meine Tochter an ihren Schrank, schiebt sich einen Stuhl hin, um ihre Klamotten richtig sehen zu können und sucht sich mit viel Bedacht und einer Seelenruhe ihre Anziehsachen heraus. Wenn ein Shirt einen Fleck bekommt oder nass wird, dann muss sie sich umziehen. Sonst … Totalausfall. Das hat sie auch schon in der Kita durchgezogen. Leider ist das mit noch nicht ganz zwei Jahren so eine Sache mit dem kleckern. Wenn sie Schuhe sieht, ob in unserem Flur oder zu Besuch bei jemand anderem, dann müssen sie anprobiert werden. Gerne checkt sie auch manche Outfits im Spiegel. Und wir, ihre Eltern, drehen durch. Oder rollen zumindest mit den Augen. So hat man sich noch kein Modeopfer vorgestellt, oder?

A pro pos Fashionista. An einem der 33 Grad Tage entschied sich meine Tochter für „nur mit Windel“. Sie wand sich und kreischte, wenn ich mit einem Shirt, einer Hose oder einem Kleid ankam. Ach ok, Schuhe durften auch noch zum Windellook. Leider entschied sie sich für diesen „Fashiontrend“ als ich mit ihr im Garten war. Das heißt übersetzt, das halbnackte Kind spazierte so durch den halben Prenzlauer Berg. Unglaublich viel Zeit zum diskutieren blieb nicht. Ihr Bruder musste abgeholt werden. Und das Gebrüll sorgte für mehr Aufmerksamkeit als das unangezogene Kind. Also zuckte ich nach einigen Anzieh-Versuchen trotzig mit den Schultern und ließ sie halt. Ja, ich weiß Grenzen! Mein Trotz war nicht gegen meine Tochter gerichtet, sondern vorbeugend gegen alle „typischen Prenzl Berg Blicke“. Wer sich jetzt fragt was ich meine, der sollte wissen, dass es jedem Erziehenden hier mitunter mal passieren kann, dass einem schnell jemand mit ungefragtem Rat zur Seite steht. Auch wenn man keinen Rat braucht! So war ich darauf eingestellt, dass mir jemand ungefragt raten könne, dass ich doch mein Kind anziehen müsse. Aber ich konnte in all den Blicken nur eins lesen. „Hach, hat das Kind es gut! Ich wäre auch gerne noch mal in dem Alter und würde so mit fast nichts durch die Stadt cruisen.“ Eben Fashionista. Auch wenn sie den Begriff noch gar nicht kennt.

Ihre Erzieherinnen meinen übrigens, dass das vorbei geht. Die Phase. So lange hüpfe ich mir den ganzen Fashion Stress einfach raus. Das mit dem Victim ist nämlich nicht so mein Ding. Ich steh eher auf Power. Wenn schon nicht bei der Kleidungsauswahl meines Zwergs, dann eben auf dem Trampolin.
In diesem Sinne freue ich mich auf euch. Ob als Teilnehmer oder Leser.