Frauen und Kinder zuerst…

… dann kommen die Alten und die Männer. Dann die Mamis. „Autsch!“ wird jetzt so manch einer denken. Aber sind wir doch mal ganz ehrlich und kommen von der Vorzeige-Frühstückssituation a la Rama-Werbung weg, in der man glücklich zusammen am Tisch sitzt und sich freudig unterhält. Eine Unterhaltung. Fast möchte ich fragen, was ist das? Dass das bei uns morgens auch nicht ganz so klappt, konnte man ja sicher schon aus meinem Badezimmer-Beitrag rauslesen. Aber sei’s drum, würde ich früher aufstehen, um dafür zu sorgen, dass wir uns freudig als Familie morgens Margarine aufs Brot knallen können, würde das keiner meiner Liebsten überleben. Bei einem Weckerklingeln um 5.30 Uhr werde ich unheimlich komisch bis eiskalt gefährlich und lebensbedrohlich. Um 5.30 Uhr ist nämlich noch mitten in der Nacht. Da wir sowieso keine Margarine benutzen, ist das alles also eh‘ geschenkt.

Die meisten Familien treffen sich ja auch eher beim Abendbrot und quasseln sich über ihren Tag aus. Um jetzt wieder aufs Thema zu kommen. Da quasselt Papa. Der hat ja bei der Arbeit viel erlebt. Da zieht man dem Großen Infos aus der Nase. Das dauert seine Zeit. Und die Kleine hat eh keine Quassel-Stopptaste und untermalt das ganze andere Gequassel mit ihrem Stimmchen. Bis wir bei Muddi sind, ist oft das letzte Schnittchen schon inhaliert und die Kinder wirbeln schon nicht mehr auf ihren Stühlen sondern auf dem Küchenfußboden. Meist ist das Abendessen zeitlich auch so gelegt, dass man die Brut am liebsten gleich in die Schlafanzüge steckt, weil der Tag eh‘ schon lang war. Spätestens wenn die Kids im Bett sind, versteinere ich tragischerweise auf der Couch. Als würde jemand bei mir den Stecker ziehen.

Schicht für Schicht kommt drauf. Mamas interessieren sich gern und offenkundig für ihre Lieben. Also her mit den kleinen und großen Problemchen. Mama hört zu. Aber manchmal wird die Last dann doch zu groß und Mami fängt an durchzuhängen. Dann sieht es in ihr aus, wie auf einer Berliner Plakatfläche.

Letztendlich störe ich mich, und wahrscheinlich auch viele andere Mamis, gar nicht wirklich an der oben beschriebenen Abendbrotsituation. Oder vielleicht gibt es auch Mums, die beim Abendessen laut ausrufen: „Stopp, erst ich! Ihr anderen haltet jetzt alle mal die Klappe!“ Eigentlich ein schönes Bild. Das sollte ich mal ausprobieren. Ich glaube, alle würden ganz schön komisch gucken und einen Moment Ruhe geben.

Aber jetzt mal wieder im Ernst, ich habe manchmal das Gefühl, wenn man Mutter wird, dann geht man in eine Art Schweigeseminar über. Oder sagen wir mal eine Art „pragmatisches Schweigeseminar“. Man gibt Anweisungen und stellt Fragen, wie „Hast du Durst?“, „Hast du was aus deiner Brotdose gegessen?“, „Nicht rückwärts die Rutsche hochklettern!“ oder „Nicht den gelben Schnee!“ Um einen herum blubbert’s und quasselt’s in unterschiedlichen Lautstärke- und Emotionspaletten und man hört zu und geht darauf ein. Das war’s. Rein verbal. Wenn ich jetzt sarkastisch wäre, würde ich ja schreiben: „Zum Glück ist man mit Haushalt und Kindern beschäftigt. Da passiert ja nicht so viel, was einen belasten könnte. Nichts was einen betrifft und was man dann mal unbedingt rausquatschen muss. Nur mal so, um sich besser zu fühlen.“ Nochmal Autsch! Ich weiß. Denn eins sollte ja klar sein, das Leben macht auch vor hochengagierten Mamis nicht halt, die augenscheinlich für andere Außenstehende ja jeden Tag „nur“ dasselbe machen. Und dann stolpert man als Mum mal über das Leben und dann gibt es keine Zeit darüber zu reden. Oder noch drastischer gesagt, für Mami’s Sorgen bleibt keine Zeit übrig.

Ich bin ja eh ein Typ, der oft schwer die Zähne auseinander bekommt. Was vielleicht auch das Problem sein könnte. Denn wenn was los ist mit mir, dann brauche ich ne Menge Anlauf um zu sagen: „Hey, da bedrückt mich was.“ Da krätscht so ein Kinderalltag oder eben nur ein Kind schon mal schneller dazwischen. Bevor ich überhaupt Luft hole, um etwas zu sagen. Kurz, es ist ja immer was los. Aber gut, ich bin ja eher eine schweigsame Person kombiniert mit Typ “ Harte Nuss“. Da ich es eben auch gewohnt bin, alleine klar zu kommen. Aber wer kann das schon von sich behaupten? Gerade noch als ganz junge Mama im vollen Hormonrausch. Da kann man noch so hart sein, die Hormone sind ne miese Truppe. Ein Graus.

Gedanken über diesen Zustand, dass man sich selten als Mama ausquatscht oder gefragt wird, weil halt einfach oft die Zeit fehlt, habe ich mir tatsächlich gemacht, als auch ich mal ein bisschen „Nussschale lassen“ musste. Mein Mann war in unserem Laden gerade wieder unendlich gefragt. Gut, es heißt ja nicht umsonst „selbst“ und „ständig“. Blöd ist ja, dass oft alles auf einmal kommt. Und ich sollte, aus einer Routineuntersuchung heraus, auf einmal einen Ärztemarathon hinter mich bringen. Alles nur zur Vorsorge und zum abchecken. Was letztendlich auch so war. Denn tatsächlich bin ich auch körperlich ne harte Nuss. Tief in mir wusste ich das, aber man ist doch mal kurz aus der Kurve genommen und verunsichert. Und mit 40 soll man sich ja sowieso auf alles checken lassen. Wusste ich nicht. Ich geh so selten zum Arzt. Leider hatte zu der Zeit eine Freundin weniger Glück. Was mich wirklich fertig machte. Ich war wirklich betroffen und hatte das Gefühl bei ihr sein zu wollen. „Hier gibt es nichts zu heulen,“ hab ich mir dauernd gesagt,“ das hilft ihr nämlich auch nicht.“ Und trotzdem war ich in den Gedanken nur bei ihr und lief die ganze Zeit mit einem Heulkloß rum. Das alles, während unser Familienalltag so aussah, dass mein Mann morgens aus unserer Wohnung rannte, früh abends reinrannte, ich zum Kurs rannte, heim rannte und mein Mann wieder zum Büro rannte. Das mal nur so, um zu zeigen, dass ihm nicht wirklich ein Vorwurf zu machen ist. Und doch ist es zum Kotzen. Das muss ich als Mami halt einfach mal so frei heraus sagen. Und auch sagen dürfen. Auch wenn wir jetzt vielleicht die Mami-Typen sein sollten, die 364 Tage nichts haben, dann ist halt an Tag 365 was los. Und keiner ist da, dem man da mal ne Boulette ans Ohr quatschen kann. Und was ist mit all den vielen Mamis da draußen, die wirklich eine Last zu tragen haben? Wer hört denen zu?

Wenn sich Mami fühlt wie ein verblühtes Blümchen, dann will sie auch mal quatschen.

Vielleicht sollte ich mal anders herum fragen: Liebe Partner/-innen und Kinder, wann saßt ihr das letzte Mal zum Abendessen bei einander und habt die Mami-Fee gefragt, was sie heute gemacht und erlebt hat? Und ob es ihr gut geht?

Mir fällt auch auf, wenn ich uns auf dem Spielplatz beobachte, wie schnell wir reden. Mit anderen Mamis, die es gar nicht schaffen zuzuhören, weil sie auch noch etwas zu sagen haben. Und es geht doch auch meistens nur um Kinder. Eine Bekannte von mir, bei der hat die Ehe nicht mehr funktioniert. Sie hatte auch zwei Kinder und lebte zu dem Zeitpunkt so richtig auf dem Land. Als wir uns mal trafen, leider viel zu selten, sagte sie nur: “ Weißt du was das schlimme ist? Du kannst es keinem sagen. Den Kindern nicht. Deinen Eltern nicht. Den Schwiegereltern erst recht nicht. Und hier auf dem Dorf ist es auch die Hölle, wenn man nicht mehr klar kommt. Ich kann einfach mit niemanden reden.“

Vielleicht sollte man einen Beruf erfinden. Einen „Mami-Zuhörer“. Das wäre bestimmt ein Erfolg. Der hört sich alles an, von „Jetzt hab ich den Weg zum Drogeriemarkt gemacht, aber der hatte nicht die richtige Windelgröße.“ bis zu ganz schlimmen, tiefgreifenden und bedrückenden Themen. Die man vor den Kindern nicht rauslassen möchte. Und die man nicht mit seiner besseren Hälfte bequatschen kann, weil der Alltag so schnell dahin flutscht und keine Gelegenheit dazu lässt.

Da es diesen Job bis heute leider noch nicht gibt, bin ich damals immer -Überraschung – aufs Trampolin gegangen. Mich ein bisschen mit Endorphinen pimpen. Das funktioniert tatsächlich. Was so Glückshormone ausrichten können ist bombastisch. In dem Sinne hoffe ich, dass es euch allen gut geht und ihr gehört werdet. Wenn nicht, dann ruft doch mal laut am Abendbrottisch: „Jetzt ich!!!“ Ist bestimmt lustig. Und wer es lustig auf dem Trampolin haben möchte, geht eben zum Jumping. Ich freue mich auf euch, ob als Leser oder Teilnehmer.

Wer seine Glückshormone über Shopping bezieht, diesen coolen Secondhand-Laden gibt es in der Kollwitzstraße im Berliner Prenzlauer Berg.

Ein Gedanke zu “Frauen und Kinder zuerst…

  1. Also so einen Mami-Zuhörer würde ich mir auch zulegen wenn’s so etwas gäbe 😉👌👌 so toll geschrieben! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen

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