Ich bin nicht die „Wandflüsterin“. Ich bin auch nicht die, die mit der Wand tanzt. Nö! Ich bin die, die mit der Wand spricht. Die Wand sind in dem Fall meine Kinder. Manchmal gesellt sich mein Mann dazu. Wenn er in Gedanken ist. Warum meine Kinder nichts hören, weiß ich noch nicht. Vielleicht finde ich es irgendwann heraus. Mein herausragenstes „Wand-Kind“ ist mein Sohn. Sage ich dieser Tage. Meine Jüngste ist ja auch erst eineinhalb. Wer weiß, vielleicht zeigt sie mir irgendwann, dass sie es besser kann. Trotzdem bin ich der mein Meinung, mein Großer hat das „wändeln“ perfektioniert. Keine Reaktion. Keine Antwort. Ich drehe manchmal am Rad. Und möchte alle je geschriebenen Ratgeber, wenn ich sie besäße, zum Fenster herauswerfen.
Ihr hört schon, ich bin keine Ratgeber-Leserin. Einfach deshalb, weil es bei Kindern für mich nicht wirklich die Patentlösung gibt. Weil halt Mensch. Und deshalb individuell. Ok, ich muss zugeben, einen Ratgeber hab ich mir doch mal gegönnt. Als mein Sohn in die Vorschulpubertät kam, da holte ich mir aus Verzweiflung den zweiten Teil des Wunschkindes. Aber auch der steht nun im Schrank und verstaubt. Weil hat alles nicht so geholfen. Also hab ich mir die guten Ansätze, mehr ist es meiner Meinung nach eben nicht bei Ratgebern, herausgenommen und lebe nun mit meiner eigenen Unfähigkeit mir beim ersten Mal Verständnis zu verschaffen.
Dabei denke ich oft: All die Zeit, die ungehört verstreicht. Ein Graus. Eigentlich könnte ich auch schweigen und es würde dasselbe passieren. Nämlich nichts. Oder nichts, so wie ich es gerne möchte. Nur, dass ich mir all die Luft und Energie gespart hätte. Und sich mein Mund, mein Rachen und meine Kehle nicht schon um 7.30 Uhr anfühlen würden, als hätte ich drei Stunden allein und ohne Mikro die Wuhlheide gerockt. Für Nicht-Berliner: Da gibt es mal das ein und andere Konzert unter freiem Himmel.

Das Gefühl von ausgeleierten Kiefermuskeln ist ja noch nicht einmal so schlimm, im Vergleich zu dem Gefühl, dass sich Rumpelstilzchen direkt aus seinem Buch in mich hineingeschlichen hätte. Denn nach der fünften Bitte rase ich innerlich. Und mir ein Bein auszureißen wäre das wenigste was ich in diesen Momenten drauf hätte. Ein Hoch auf Yoga-Atmung. So bin ich bisher noch im Besitz aller Gliedmaßen und meine Kinder gehören weiterhin zur tiefenentspannten Sorte.
Ich fühle mich ja auch ein wenig schlecht, denn es wird meinem Mann und mir oft gesagt, dass wir so liebe Kinder hätten. So liebe Kinder, die sich daheim derart wohl fühlen, dass sie hier richtig abgehen können. Und wenn man sie darum bittet, etwas weniger zu geben, beim toben. Oder etwas mehr zu geben, morgens beim anziehen. Und so weiter. Dann hören sie mich nicht. Das muss der Grund sein, denn es kommt noch nicht einmal eine Reaktion. An Antworten glaube ich ja schon gar nicht mehr. Ha ha. Zumindest hat mein Mann bereits klar gemacht, dass er es überhaupt nicht leiden kann, wenn man seine Ohren demonstrativ für Gesagtes und vor Gesagtem verschließt. Und es klappt. Zu Teilen. Ich finde es ja auch schön zu wissen, dass meine Kinder sich daheim so aufgehoben fühlen, dass sie auch mal übers Ziel hinausschießen können. Aber ich habe es auch so satt, wenn ich meinen „strengen Ton“ rausholen muss.

Tatsächlich, ich habe so etwas. Und der muss ziemlich fies sein. Es geht hier nicht um laut werden. Oder darum, dass ich die Kinder anschreie. Nein, ich werde einfach streng und unerbittlich und das zeigt sich wohl auch in meiner Stimmlage. Wenn ich die raushole, erstarrt mein Sohn und meine Tochter weint. Davon bin ich dann immer ganz getroffen. Und denke manchmal, hätte ich mal lieber geschrien. Das scheinen sie besser wegzustecken. Aber nach der fünften ungehörten Bitte kommt dann halt mein Chefinnen-Ton. Der schon suggeriert: Keine Diskussion. Vielleicht muss ich mich dabei einmal aufnehmen, um herauszufinden, ob ich mich selbst dann auch so gruselig autoritär finde, wie meine Kids?!
Wie dem auch sei, der Ton schlägt an. Aber ich möchte ihn eben nicht dauernd nutzen müssen. Denn ich habe auch das Gefühl, er strengt mehr an, als normal zu sprechen. Klar, ich weiß, die eigentliche Anstrengung ist das nicht gehört werden. Und das innerliche aufwallen. Das man dann auch noch versucht für eine halbe Stunde zu unterdrücken. Ist ja alles Energie, die man verbraucht.
Bei all dem Energieverschleiß ist mir tatsächlich auch einmal etwas vollkommen absurdes und lustiges passiert. Hier im Prenzlauer Berg. Wer schon Geschichten zu diesem Bezirk gelauscht hat, wird nun sagen, das ist doch keine Überraschung. Mein Sohn war noch in der Kita. Er gehörte zu den Großen. Und war mit Rad gekommen. Nun bei der Abholung holte er sein Rad aus dem Keller und begann lustig zwischen den kleineren Kindern herumzufahren. Darauf ich zu ihm: „Bitte mein Süßer steig mal ab. Hier sind überall die Kleinen. Die kannst du aus Versehen umfahren. Ich hole nur deinen Rucksack, dann darfst du gleich vor der Tür aufsteigen und nach hause fahren.“ Ungehört. „Bitte steig doch mal ab. Guck mal die kleine Karla sitzt hier und du wärst fast über ihre Hand gefahren. Wo ist deine Mütze? Dann können wir gleich los und du darfst vorne doch fahren.“ Keine Antwort. Keine Reaktion. „Schatz, jetzt bitte. Schau mal, du hast hier gar keinen Platz zu fahren.“ Weiterhin ungehört. „NAME!!“ Reaktion. Und dann eine andere Mutter: “ Hey, komm mal runter!“ Sie winkte beschwichtigend mit ihren Händen ein Come down. „Meine fährt doch auch hier.“ Ja, schön blöd, dachte ich. Dass du deinem Kind schon grundsätzlich keine Rücksichtnahme beibringst. „Wenn ich dreimal was sage und er nicht hört, dann kann ich auch mal steng werden!“ war meine letztendliche Antwort in ihre Richtung. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, wir sind jetzt richtig dicke Freundinnen. Aber da ist der Prenzlauer Berg halt ein wenig schizo und ich arrangiere mich soweit ich es kann. Und trotzdem löste es bei mir den Gedanken aus, reagiere ich zu schnell über? Oder muss eigentlich einmal reichen, um eine Reaktion zu bekommen? Mein Mann meint ja, dass einmal genug sein sollte. Ich bin mit meinem „Dreimal“- Kompromiss ganz gut unterwegs. Auch wenn mir die Zunge abends lahm aus dem Mund hängt.
Lustig ist ja auch, ich entdecke, in der Öffentlichkeit bin ich auf dreimal „Wandtalk“ eingestellt. Daheim kann es auch fünfmal sein. Soll heißen, draußen macht mich die Müttermafia nervös. Tatsächlich gibt es viele coole Mums, die einfach nur verstehen, wenn sie so eine Szene sehen, was da gerade abgeht. Aber die, wie die oben erwähnte, die gibt es eben auch. Natürlich auch anders herum. Das sind dann meistens eher die Omas. „Wie kann man nur so lange labern, bevor man sein Kind in die Schranken verweist?“ Und leider sind das ja auch die Typen Mensch, die dann auch noch immer ihren Senf dazugeben müssen, wenn Mami gerade ihr Grenzen-austesten-Hast-du-mich-gehört?-Battle mit dem Nachwuchs führt. Als wäre das allein nicht schon anstrengend genug. So blieb die oben genannte Szene in meiner Mutterschaft nicht die einzige. Gut daran finde ich, dass mir dann andere Personen die Gelegenheit geben mein Rumpelstilzchen raus zu lassen. Und zwar nicht an meinen Kindern.
Tatsächlich habe ich ja auch schon gedacht, dass ich mit meinen Kids einfach mal zum Ohrenarzt muss. Beim Wort Arzt verfällt mein Großer in hysterisch-verzweifeltes Weinen. Ich kann ihn dann beruhigen und sagen, dass wir eh erst einen Termin bekommen würden, wenn er 18 wird. Und da ist es ja dann auch schon gelaufen. Mal abgesehen davon, wenn das mit den Terminen besser klappen würde, würde ich mich wahrscheinlich mit anderen verzweifelten Müttern in einem mit Kindern überfüllten Wartezimmer wiederfinden. Und der Arzt würde nur noch hysterisch Lachen, wenn ich ihm mit meinem Problem käme.
Das nicht nur ich mit der Wand rede, konnte ich auch schon in etlichen anderen Beiträgen lesen. Ich könnte es nun natürlich dabei belassen und sagen: Gut das ist halt so. Aber es strengt mich wirklich an. Ich bin nicht so die Laber-Rhabarber-Mum. Man würde mir eher auch mal unterstellen, dass ich auf den „Mund gefallen“ wäre. Wegen Schweigsamkeit. Ich muss halt nicht immer zu allem was sagen. Dann aber noch in ständigen Wiederholungen sprechen zu müssen, das macht mich an manchen Tagen echt ganz dusselig. Und ich kann nicht aufhören mich zu fragen, warum hört er denn nun schon wieder nicht? Oder nur, wenn ich mit Chef-Ton und kurzen abgehackten Befehlssätzen spreche? Wir könnten es doch so schön haben. Ohne Groll und so. Aber wahrscheinlich ist das tatsächlich ein Lernprozess bei den Kindern. Und ein Reifungsprozess bei den Eltern. Unter dem Motto: Trotzdem cool bleiben. Zumindest äußerlich.
Erst kürzlich meinte mein Sohn, er würde ja hören, wenn ich mal Bitte sagen würde. Immerhin würden wir, seine Eltern das ja auch von ihm verlangen. Eigentlich bin ich der Meinung, dass ich immer ein Bitte im Satz verbaut habe. Aber nun achte ich vermehrt darauf und betone es auch noch einmal. Damit bekomm‘ ich ihn nun öfter mal. Wenn ich ihn bitte und er dennoch nicht hört, dann sage ich ihm, dass ich ihn doch gefragt hätte warum er nicht hört und er meinte es läge am fehlenden Bitte. Nun hätte ich ihn doch gebeten und er höre trotzdem nicht. Dann murrt er meistens, aber setzt dann unter grummeln meine Bitte in die Tat um. Tschacka. Ein Lichtblick. An schlechten Tagen bleibt es beim alten. Da muss man wohl durch, als Eltern. Vielleicht muss ich wieder mehr Märchen lesen, um mich auf ander Figuren neben Rumpelstilzchen zu konzentrieren. Da gibt es doch bestimmt auch ein paar nette? Oder ich geh halt hüpfen. Hüpfen ohne zu sprechen. Als Erholung für meinen Kieferbereich. Die einzige Muskelgruppe, die beim Jumping nicht so angestrengt wird. Moment, außer wenn die Endorphine mich einholen und ich nur noch debil lächle vor Glück. Aber dann ist auch der Ärger über meine kleinen „Wände“ schon verflogen.
In dem Sinne freue ich mich auf euch. Ob als Teilnehmer oder Leser.